Männerwallfahrt in der Ulrichswoche:

„Die Kirche braucht euch“

AUGSBURG – Seit fast 24 Stunden ist Michael Dreier auf den Beinen. 50 Kilometer hat er in dieser Zeit zurückgelegt. Erschöpft, aber auch stolz freut er sich nun auf die letzte Etappe seines Pilgerwegs: Vom Augsburger Dom geht es zusammen mit hunderten Männern zur Basilika St. Ulrich und Afra an das Grab des Bistumsheiligen. 

Die 24-Stunden-Wallfahrt von Türkheim nach Augsburg in der Ulrichswoche hat eine lange Tradition. Dreier ist einer von 19 Männern, die sich heuer auf diesen beschwerlichen Weg gemacht haben. Er ist das erste Mal dabei. „Körperlich war das schon eine brutale Herausforderung“, sagt er. Jetzt ist er fast am Ziel. Auf den Gottesdienst in der Basilika – ganz unter Männern – freut sich Dreier. Danach wird noch gegessen, und anschließend übernachtet die Gruppe im Haus Sankt Ulrich. „Ich werde schlafen wie ein Stein“, ist sich der Ulrichspilger sicher. 

Ebenfalls zum ersten Mal dabei: Leo Schuster. Der Weg „war super gut zu laufen“, erzählt er. Den leichten Regen in der Nacht habe er als angenehm empfunden und auch die Gerüche im Wald, die man in der Nacht viel intensiver wahrnimmt, habe er genossen. Diakon Gerhard Kahl, Leiter der Männerseelsorge, welche die Männerwallfahrt und die 24-Stunden-Wallfahrt organisiert, läuft selbst schon zum 16. oder 17. Mal mit. Er betont: „Es geht dabei nicht nur um Leistung.“ Der Weg sei eine spirituelle Erfahrung. 

Flagge zeigen für Ulrich

Nicht nur die Langstrecken-Pilger warten jetzt am Dom. Mehrere hundert Männer sind gekommen, um von hier aus zum heiligen Ulrich zu pilgern. Viele Fahnenab­ordnungen zeigen heute Flagge für den Glauben. Auch für die Freiwillige Feuerwehr Edenried ist die Wallfahrt ein fester Termin. Vorstand Michael Wittek, findet: „Die Männerwallfahrt ist wirklich etwas Besonderes.“ Der Gottesdienst, der Zusammenhalt, die Gemeinschaft unter Männern und das gemeinsame Singen in der vollen Basilika sind für den 36-Jährigen ein guter Grund, diese Tradition fortzuführen.

Langsam setzt sich der Pilgerzug mit Bischof Bertram an der Spitze in Bewegung. Mit den zahlreichen Fahnen und dem vielstimmigen tiefen Gesang, der von den Ulrichsbläsern begleitet wird, zieht der Zug in der Augsburger Innenstadt viele neugierige Blicke auf sich. 

In der Basilika angekommen, begrüßt Bischof Bertram gut gelaunt die Pilger. Es sei doch eine wahre Freude, katholischer Christ zu sein, sagt er angesichts der vollen Kirche. „Und es macht mir Spaß, Bischof zu sein“, betont er, „gerade an einem Tag wie heute.“ 

In der Predigt ermuntert er die Männer, ihre eigene Männlichkeit zu entwickeln und zu leben, Verantwortung für sich zu übernehmen, ein Original zu sein – statt sich von traditionellen Männerbildern, die oft von Konkurrenz und Leistung geprägt seien, leiten zu lassen. Es gehe darum, authentisch zu sein und zu erkennen, „dass wir von Gott her mit unseren Talenten und Fähigkeiten einmalig geschaffen sind“. 

Der 62. Nachfolger von Bischof Ulrich geht auch auf die „martialische Seite“ seines heiligen Vorgängers ein. Die einseitige Betrachtung Ulrichs als Held, der sich den Ungarn bei der Schlacht auf dem Lechfeld wagemutig entgegenstellt, werde dem Heiligen nicht gerecht. Als Bischof „galt seine Sorge dem leiblichen wie seelischen Wohl der ihm anvertrauten Leute“, betont er.   

Auf Gottes Stimme hören

Bischof Bertram bittet die Männer: „Hört in euch hinein, auf eure Berufung, hört hin auf die Stimme Gottes, auf das, was Gott mit euch Großes vorhat, welche Aufgaben er für einen jeden bereithält!“ Er betont: „Liebe Männer, die Kirche braucht euch. Helft als Christen mit, der Welt ein menschliches Antlitz zu geben. Sucht wie der heilige Ulrich, was notwendig ist, und tut das Notwendige.“ Nicht Resigna­tion und Hoffnungslosigkeit seien das Gebot der Stunde, sondern Kraft und Eifer, „unsere Welt mitzugestalten“. Der Bischof ruft dazu auf, sich einzulassen „auf das Abenteuer Glauben“ und mutig zu sein. Denn wie der heilige Ulrich „dürfen wir uns der Führung Gottes überlassen“.

Musikalisch gestaltet wird die Messe von Organist Peter Bader und den Ulrichsbläsern – und nicht zuletzt von den Pilgern selbst. Wenn hunderte Männer kraftvoll „Großer Gott, wir loben dich“ und das beliebte Ulrichslied „Streiter in Not“ anstimmen, kann man die Glaubensfreude regelrecht hören und spüren – ein echter Gänsehautmoment.

Simone Sitta